Firmen müssen Streikaufruf auf Parkplatz dulden
erstellt am: 09.05.2019 | Kategorie(n): Allgemein
Nach bisheriger Rechtssprechung mussten Arbeitgeber wie Amazon keine Streikaufrufe auf ihrem Firmengelände hinnehmen. Doch nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein überraschendes Urteil gefällt.
Die Gewerkschaft Verdi konnte sich vor dem Bundesarbeitsgericht gegen den Onlinehändler Amazon durchsetzen. Dieser wehrte sich gegen einen Streikaufruf auf seinem eigenen Gelände. Wie das BAG feststellte, umfasst das jedoch Streikrecht auch das Recht der Gewerkschaft, die Angestellten direkt vor dem Firmengebäude anzusprechen, um für die Teilnahme an einem Streik zu werben. Das könne auch auf Firmenparkplätzen geschehen, wenn keine anderen Mobilisierungsmöglichkeiten existieren.
Amazon betreibt sein Logistikzentrum in einem abgelegenen Gewerbegebiet. Daher kommen die meisten Mitarbeiter mit dem Auto angereist, welches sie auf dem großen Firmenparkplatz abstellen. Im September 2015 streikten sie Mitarbeiter an zwei Tagen. Die Streikführerin Verdi hatte auf dem Parkplatz Stehtische aufgebaut und Flyer verteilt, die zur Teilnahme an dem Streik aufforderten.
Amazon klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung solcher Aktionen.
In der ersten Instanz hatte der Konzern auch Erfolg damit. Das Arbeitsgericht war der Ansicht, dass ein Arbeitgeber unabhängig von einer Beeinträchtigung solche Arbeitskampfmaßnahmen untersagen könne.
Dem Gericht war es daher auch nicht wichtig, ob Verdi zur Streikmobilisierung auf die Parkplatznutzung überhaupt angewiesen war. Nach Ansicht der ersten Instanz war allein entscheidend, dass ein Arbeitgeber nicht bei Arbeitskampfmaßnahmen gegen sich selbst mitwirken muss.
Das sah das Landesarbeitsgericht (LAG) jedoch anders. Und auch das BAG schloss sich der Einschätzung der zweiten Instanz an. Nach dessen Auffassung könne sich aus Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) die Pflicht des Arbeitgebers ergeben, Beschränkungen seiner Eigentumsrechte zu dulden. Im vorliegenden Fall sei eine kurzzeitige Beeinträchtigung des Arbeitgebers hinnehmbar. Das Gericht betonte jedoch, dass es dabei um eine Einzelfallentscheidung geht.
Faktisch würden nämlich die konkreten Gegebenheiten in dem Fall andere Streikwerbung nicht zulassen. Zugangsbehinderungen habe es nicht gegeben, ebenso wenig sei es zu Störungen Betriebsablauf gekommen. Davon ausgehend hat das BAG eine Abwägung vorgenommen.
Mit dieser Entscheidung ist das Gericht von seiner vorherigen Rechtssprechung (Beschluss vom 15.10.2013, Az. I ABR 31/12) abgewichen, mit der es betont hatte, dass die Gewerkschaft nicht die Betriebsmittel eines Arbeitgebers zu dessen Schaden beanspruchen könne. Auch eine Entscheidung aus 2009 wird fallengelassen, mit der dem Arbeitgeber das Hausrecht als Mittel gegen den Arbeitskampf zugesprochen wurde (BAG, Urteil vom 22.09.09, Az. I AZR 972/08).
Für die Praxis heißt das nun, dass der Arbeitgeber nun doch verpflichtet sein kann, an einem Arbeitskampf gegen sich selbst mitzuwirken. Offen bleibt nur, ob diese Entscheidung eine Ausnahme darstellt. Eine Ausnahme, die nur dann gilt, wenn es auf Arbeitgeberseite eine nur geringe Beeinträchtigung gibt und der Gewerkschaft eine anderweitige Mobilisierung zum Streik nicht möglich ist.
BAG, Urteil vom 20.11.2018, Az. 1 AZR 189/17.
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